Wenn die Kirche nicht alles in ihren Kräften Stehende tut, um
den jüdischen Charakter des Evangeliums wiederherzustellen, fehlt
ihr ein Schlüsselelement der Botschaft Gottes. Als Folge davon kann
sie den großen Auftrag nicht angemessen erfüllen." (1)
Die messianischen Juden halten an der bleibenden Erwählung Israels fest und sehen sich auch als Christusgläubige weiterhin als Juden an. Das Wissen, daß Jesus Christus der Messias Israels ist, bewirkt in ihnen allerdings ein ausgeprägtes Sendungsbewußtsein gegenüber ihrem eigenen Volk. Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Selbstverständnis für die Judenmission? In einem Dreischritt soll diese Frage erörtert werden: 1. Die Konsequenzen für die Diskussion um die Judenmission. 2. Die Konsequenzen, die sich aus der Heilsgeschichte Gottes mit Israel ergeben. 3. Die Konsequenzen für die Gemeinschaft von Juden- und Heidenchristen in der Kirche.
Statt des herkömmlichen Begriffs Judenmission" werde ich den Begriff
christliches Zeugnis für Israel" verwenden.(2)
Denn der Begriff Mission" weckt im jüdischen Volk die Erinnerung an
die Zwangstaufen, denen sich viele Juden in der Geschichte unterziehen
mußten. Auch ist die Mission" unter Juden von der Heidenmission zu
unterscheiden. Die Heiden müssen sich von ihren Götzen zum lebendigem
Gott bekehren (1Thess 1,9), sie müssen zwar nicht ihre Kultur,(3)
aber ihre Religion aufgeben. Die Juden jedoch müssen sich durch ihren
Messias Jesus, dem König der Juden, der in ihren eigenen Schriften
verheißen wurde, zu ihrem Gott, dem Gott Israels, dem Gott
ihrer Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob bekehren. Sie müssen das
Alte Testament nicht verbrennen (vgl. Apg 19,19). Einzig aufgegeben werden
muß der (v. a. im nachexilischen Judentum entwickelte) Gedanke, daß
der Mensch durch das Einhalten des Gesetzes vor Gott gerecht ist, und die
Scheidung von den Heidenchristen. Ansonsten ist im Messias Jesus ihr jüdischer
Glaube erfüllt und zu seinem Ziel gelangt. Evangelisation unter Juden
unterscheidet sich deshalb sehr stark von der Evangelisation unter Heiden.
Nach dem Holocaust begann in der Kirche eine Neubesinnung gegenüber
dem jüdischen Volke und gegenüber der Judenmission. Von verschiedenen
Kirchen und Konferenzen wurden Erklärungen verfaßt. Einige dieser
Erklärungen sprachen sich gegen die Judenmission aus zugunsten einer
Beziehung zum jüdischen Volk, die alleine den Charakter des Dialoges
hat.(4) In Reaktion darauf wurden weitere
Erklärungen erarbeitet, die die Evangelisation unter Juden begründeten
und Hilfen zur Art und Weise derselben gaben. Drei dieser Erklärungen
sollen für die folgenden Überlegungen mit herangezogen werden:
Der Thailand-Report des Lausanner Komitees für Welt-Evangelisation",(5)
die Willowbank-Erklärung(6)
und die Erklärung Mission unter Israel - auch heute der Konferenz
Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands".(7)
1) Das Evangelium - eine Kraft Gottes, zu erretten Juden und Heiden
In unserer Untersuchung von Römer 9-11 haben wir festgestellt, daß in Bezug auf die Rechtfertigung vor Gott kein Unterschied besteht zwischen Juden und Heiden. Juden wie Heiden sind unter der Macht der Sünde und werden von ihr befreit durch den Glauben an Christus allein (Röm 1-8). Das Evangelium vom Messias Israels gilt gerade und zuallererst dem jüdischen Volke (Röm 1,16). Der Überrest Israels (Röm 11,1-6) wird nur dadurch zum Überrest, daß Gott ihm das Evangelium von Jesus, dem König der Juden, offenbart.
Berücksichtigt man zu dieser Fragestellung das Selbstverständnis der messianischen Juden, so ist zunächst festzustellen, daß es gar keine messianischen Juden gäbe ohne die Evangeliumsverkündigung unter den Juden. Das Evangelium wurde nach Pfingsten zunächt nur den Juden verkündigt, später auch den Heiden. Auch die heutige messianisch-jüdische Bewegung würde es wohl gar nicht geben ohne eine - allerdings sich vom herkömmlichen Umgang mit den Juden völlig unterscheidende - Evangeliumsverkündigung unter Juden durch die Pietisten und Puritaner im 18. und 19. Jh.
Viele Juden kommen zwar auch heute noch ohne das Zeugnis eines Christusgläubigen durch eine direkte Begegnung mit dem Auferstandenen(8) oder durch Lektüre der Bibel(9) zum Glauben an Christus, andere jedoch durch das Lebens- und Wortzeugnis von jüdischen und nichtjüdischen Christen.
Die messianischen Juden mit ihrem ausgeprägten Sendungsbewußtsein gegenüber dem jüdischen Volke betonen immer wieder, daß Israel ohne den Glauben an Jesus, den Messias Israels, nicht in seine von Gott gegebene Berufung eintreten kann. Auch die drei oben erwähnten Erklärungen begründen, warum das christliche Zeugnis für Israel notwendig ist. So heißt es in der Erklärung Mission an Israel - auch heute: Unser Herr Jesus Christus sagt uns, daß wir allen Menschen, insbesondere aber Israel, das Evangelium schuldig sind (Matth. 24,14; 28,19; Apg 1,8; Römer 1,14.16)."(10) Die Willowbank-Erklärung stellt in ihrem ersten Teil(11) Christus, den Sohn Gottes und das sühnende Opfer für die Sünden der Menschheit als den einzigen Weg für die Menschheit dar, auf dem sie den Schöpfer als Vater kennenlernen und ewiges Leben mit Gott erlangen kann (Joh 14,6). Der Thailand-Report kommentiert zu dieser Frage: Wenn Christen, obwohl sie wissen, daß Christus der einzige Weg zur Errettung ist, Juden das Evangelium nicht verkünden, setzen sie voraus, daß Juden von der Notwendigkeit und Möglichkeit der Errettung in Jesus Christus ausgeschlossen sind. Dies ist Widerspiegelung eines unangemessenen biblischen und theologischen Verständnisses."(12)
Deshalb ermahnen alle drei Erklärungen die Kirche, ihren Auftrag am Evangelium auch dem jüdischen Volk gegenüber wahrzunehmen.(13) Eine grundsätzliche Ablehnung der Judenmission"(14) wird jeweils verworfen,(15) wie auch die Ansicht, die Juden seien schon im Abrahams- und Mosebund errettet.(16) Auch E. Schlink schreibt, daß die Kirche wegen des gemeinsamen Ursprungs mit der Synagoge und der gemeinsamen Zukunft viel mehr für die verfolgten Juden hätte eintreten müssen, daß diese Schuld jedoch nicht dadurch gesühnt werde, daß man den Heilsplan Gottes für das jüdische Volk nun als an Jesus vorbeiführend verstehe. Vielmehr bleibe für alle Zeiten und für alle Menschen [...] das Bekenntnis zu Jesus Christus in Geltung, das Petrus vor dem jüdischen Hohen Rat abgelegt hat: Es ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden (Apg 4,12)'."(17)
Ein grundsätzliches Nein zur Verkündigung des Evangeliums Israel gegenüber ist also abzulehnen. Das neutestamentliche Zeugnis zeigt, daß es auch für Juden keinen anderen Heilsweg als den durch die Rechtfertigung im Glauben an Jesus Christus gibt.
Was ist nun aber mit der Frage der Evangelisation unter Juden durch
nichtjüdische Christen? Sind nicht die messianischen Juden
besser geeignet, das Evangelium dem jüdischen Volke zu bringen?
2) Christliches Zeugnis für Israel durch nichtjüdische Christen
Durch ihre Zugehörigkeit zum jüdischen Volk sind die messianischen Juden weitaus besser als nichtjüdische Christen geeignet, Israel das Evangelium zu verkündigen. Sie wissen um die Vorurteile, die das jüdische Volk dem Evangelium gegenüber hat. Sie kennen die jüdische Gedankenwelt wie niemand sonst. Sie sprechen als Juden zu Juden. Deshalb sollte das heidenchristliche Zeugnis für Israel immer zuerst in der Unterstützung der messianischen Juden bestehen.(18) Ein Beispiel wäre die Finanzierung der Verbreitung von Bibeln und anderer Literatur. Gibt es darüber hinaus jedoch einen Auftrag der Verkündigung des Evangeliums auch an Juden für die nichtjüdischen Christen? Die nachfolgenden Aussagen einiger messianischer Juden sollen die verschiedenen Ansichten deutlich machen, die unter messianischen Juden bezüglich dieser Fragestellung herrschen.
So schreibt z.B. der messianische Jude David Leuner, daß es sein könne, daß sich ernste Christen da und dort vor die Gewissensfrage gestellt sehen, ob die Juden nicht am Ende der Tage den Christen vorwerfen könnten, sie hätten ihnen das Beste vorenthalten [...]. Es gibt im Neuen Testament keinen an Heidenchristen gerichteten Auftrag zur Judenmission, aber die Kirche darf den Auftrag zum Zeugnis aus Röm 1,16 herleiten, und zwar gerade dem Juden gegenüber, sofern sie sich darüber klar ist, daß die Juden nicht wie Heiden behandelt werden dürfen".(19)
Anders äußert sich Shlomo Hizak, der Leiter des Internationalen Ölberg-Bibelzentrums in Jerusalem: Ich bin der Meinung, daß man den christusgläubigen Juden es überlassen sollte, das Evangelium ihren Volksgenossen zu bringen. Die jüdischen Gläubigen sind die Hoffnung und auch das Mittel für die Errettung des jüdischen Volkes."(20)
Ari Ben Israel, Leiter eines caritativ tätigen Werkes mit dem Namen Ruf zur Versöhnung", betont die Begleitung des Wort-Zeugnisses durch das Tat-Zeugnis: Wir müssen oft nicht so viel reden. [...] Wir dürfen oft schweigen, die Juden haben so oft gehört, aber so oft keine Taten gesehen. Die Juden sind heute so müde. Wenn die Juden Vertrauen zu euch bekommen, werden sie offen zu euch sein und ihre Probleme bereden. In den letzten 50 Jahren wurden über 80 Bücher geschrieben über den Juden Jesus, durch Juden! Die Menschen möchten nicht theologische Diskussionen, sondern möchten die Liebe sehen, möchten einen Dienst an ihnen sehen. Ich versuche nicht die Juden zu christianisieren, sondern ihnen zu dienen und meinen Messias einfach mit ihnen teilen. Wir müssen Jesus dem Volke Israel vorleben."(21)
Ähnlich äußert sich der messianische Jude Dov Chaikin(22), nach dessen Meinung es die Aufgabe der Heidenchristen ist, Jesus Christus den Nationen zu predigen; die Juden jedoch zu erreichen, indem sie diese durch ihren Lebensstil zur Eifersucht reizen (Röm 11,11). In Israel seien ihm christliche Volontäre in caritativen Einrichtungen lieber als Missionare. Durch ihren Lebensstiel könnten diese Volontäre Juden zu Fragen reizen: Warum machst du diese Arbeit?"
Der messianische Jude Ludwig Schneider(23) spricht sich dagegen aus, daß Heidenchristen unter Juden das Evangelium aus dem Grund nicht verkünden, weil sie durch den Holocaust nicht das Recht dazu hätten. Das sei keine Begründung, aber sie hätten nicht das nötige Wissen, um Juden zu erreichen. Dazu gäbe es in Israel genügend messianische Juden, die dieses Wissen haben. Eine Ausnahme seien die Heidenchristen, die sich ein umfassendes Wissen in den jüdischen Schriften, z.B. dem Talmud, angeeignet hätten.
Zur Frage, ob Evangeliumsverkündigung unter Juden durch nichtjüdische Christen geschehen soll, finden sich verschiedene Meinungen unter den messianischen Juden. Ausnahmslos liegt ihnen jedoch die Art solcher Evangeliumsverkündigung am Herzen. So ist eine häufig auftretende Kritik der messianischen Juden an in Israel arbeitenden ausländischen Missionen, daß sie sich nicht ausreichend mit dem Judentum befaßt haben und häufig führende Positionen besetzen, statt Mitarbeiter unter den messianischen Juden auszubilden.(24) Durch die vielfältigen Barrieren, die das jüdische Volk gegenüber dem christlichen Glauben besitzt, braucht ein unter den Juden mit dem Evangelium Dienender eine große Sensibilität gegenüber den jüdischen Fragen, was nur durch ausführliche Beschäftigung mit dem Judentum und der jüdischen Geschichte erreicht werden kann.
Im Neuen Testament findet sich kein Beispiel heidenchristlicher Evangeliumsverkündigung an Juden.(25) Das NT mahnt jedoch alle Christen, jüdisch oder nichtjüdisch, zum Zeugnis gegenüber allen Menschen (vgl. z.B. 1Petr 3,15f.). Außerdem muß berücksichtigt werden, daß die Situation heute anders ist als die zur Zeit des Neuen Testamentes: Der Großteil der damaligen Kirche bestand aus Juden, während er heute aus Nichtjuden besteht. Einzig in Israel (und auch in den USA) gibt es heute wieder ein starkes judenchristliches Zeugnis unter Juden, so daß die messianischen Juden dort erneut das Amt der Evangeliumsverkündigung übernehmen können und unsere Aufgabe hauptsächlich in ihrer Unterstützung besteht. In diesem Sinne schreibt auch A. Burchartz vom Ev.-luth. Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen: Der Staat Israel [...] kann und darf gerade von deutschen Werken nicht als Missionsfeld angesehen oder verstanden werden."(26)
In Israel ist außerdem die Mission durch ausländische Organisationen durch die Gesetzgebung erschwert.(27) Anders ist die Situation in der Diaspora, wo es (außer in den USA) nur wenige messianische Juden gibt. Hier können sich auch für nichtjüdische Christen Gelegenheiten eines Zeugnisses Juden gegenüber ergeben. Wie wir jedoch am Beispiel einiger Biographien von messianischen Juden im 2. Kapitel gesehen haben, muß dieses Zeugnis immer in Demut und einer tiefen Liebe gegenüber dem jüdischen Volk geschehen. Weil die Juden so oft Ablehnung erfahren, spüren sie sofort eine Haltung, die zu ihrem Volk steht. Der Kontakt zu Juden sollte immer dem Kontakt des wilden Zweiges" zum echten Zweig" entsprechen (vgl. Röm 11,18): Auch wir können lernen im Kontakt und Gespräch mit Juden. Wenn die Kirche den Kontakt mit ihrer jüdischen Wurzel aufgibt (vgl. Röm 11,18), wird sie entwurzelt. Deshalb ist auch der jüdisch-christliche Dialog zu begrüßen, wo er nicht an die Stelle der Mission tritt und die messianischen Juden nicht ausschließt.(28)
Auf diese Weise erkennt das christliche Zeugnis für Israel die Vorzüge Israels (Röm 9,4f.) an, besonders auch, wenn es die Juden nicht ihrem Volke, in das Gott sie hineinberufen hat, entfremdet (vgl. 1Kor 7,18). Die Mahnung des Apostel Paulus an die Heidenchristen lautet, sich nicht über Israel zu erheben - trotz dessen Ablehnung des Evangeliums. Paulus sagt im Gegenteil, daß die Heidenchristen Israel zur Eifersucht reizen" sollen (Röm 11,11). Diese Eifersucht wird geweckt durch die Liebe, die jedoch ihren Autor nicht verschweigt: Jesus Christus, den König der Juden". Weder der Holocaust noch die Fehler der Kirche in der Vergangenheit dürfen diese dazu bringen, den Juden das Beste vorzuenthalten, das sie besitzt: Das Evangelium von der Versöhnung mit Gott (2Kor 5,20) und von der Befreiung von der Macht der Sünde zu einem neuen Leben.
Obwohl die Hauptaufgabe des christlichen Zeugnisses für Israel in der Unterstützung der messianischen Juden besteht, ist die Verkündigung des Evangeliums unter Juden durch nichtjüdische Christen grundsätzlich zu bejahen. In concreto ist es jedoch eine Frage der Berufung durch Gott, der jeweiligen Führung Gottes und der Begabungen: Gott sendet die einen, den Juden das Evangelium zu predigen, und er befähigt sie dazu (vgl. z.B. Franz Delitzsch), andere sendet er zu den Heiden, und wieder andere, Israel durch Liebeswerke zur Eifersucht zu reizen" (Röm 11,11). Der auferstandene Herr führte selbst Paulus in einer konkreten Situation ganz besonders: Er gebot dem gerade in Jerusalem weilenden Apostel, nicht zur jüdischen Menge in Jerusalem zu predigen, sondern die Stadt zu verlassen (Apg 22,18).
Es gibt einige in Israel tätigen christlichen Werke, die öffentlich
erklären, daß sie keine Mission unter Juden betreiben. Ein Beispiel
hierfür ist die Internationale Christliche Botschaft" in Jerusalem
und das Werk des inzwischen verstorbenen Wim Malgo in der Schweiz, die
beide in Israel sozial tätig sind. Es gibt Christen, die solche Werke
ablehnen, die reine Liebesdienste" an Israel tun, ohne das Evangelium zu
verkündigen.(29) Ich denke jedoch,
daß auch diese Dienste dem Evangelium dienen, denn sie öffnen
das jüdische Volk für das Evangelium, indem sie den Juden ein
Beispiel christlicher Liebe geben, die häufig nur Verfolgung und Intoleranz
durch die Christenheit erfahren haben.
1) Die Berücksichtigung der bleibenden Erwählung Israels
Unsere exegetischen Erwägungen ergaben, daß die Anschauung abzulehnen ist, Israel habe keinen Platz mehr in Gottes Heilsplan und alle an Israel ergangenen Verheißungen seien nun an die Kirche als das neue Israel" übertragen worden. Christliches Zeugnis für Israel muß berücksichtigen, daß Juden, die Christus annehmen, in dem Kontinuum von Gottes Heilsplan mit Israel stehen. So sieht es auch die Erklärung Mission unter Israel - auch heute: Israelmission zielt auf ihre [der Juden] Wiedereinsetzung in den auf Golgatha und zu Pfingsten erneuerten Gnadenbund (Jer 31,31-34; Hebr 10,16-17)."(30) Das Wort Wiedereinsetzung" in dieser Formulierung erinnert an das Bild vom Ölbaum aus Römer 11: Die echten Zweige (Juden) werden wieder in ihren eigenen Stamm, aus dem sie ausgebrochen waren, eingepfropft. Denn Gott hat nicht den Israelstamm umgehauen und einen neuen heidenchristlichen Baum gepflanzt, in den die christusgläubigen Juden eingepfropft würden. Vielmehr haben die Heiden (wie schon im AT verheißen) Anteil an der bleibenden Erwählung des alten Bundesvolkes Israel, denn Gottes Berufungen und Gnadengaben können ihn nicht gereuen" (Röm 11,29).
In seinem Vortrag Jewish Survival plädiert Menahem Benhayim für ein christliches Zeugnis für Israel, das den Juden kein individualistisches, nur auf das ewige Leben ausgerichtetes Evangelium bringt.(31) Schriftgemäße Judenmission müsse den Juden auch helfen, als Volk physisch, geistlich und kulturell zu überleben. Paulus rede vom Überleben des jüdischen Volkes, wenn er vom Überrest" innerhalb des jüdischen Volkes (Röm 11,2-6) und der letztendlichen Errettung ganz Israels (Röm 11,26) spricht. Benhayim geht auch auf die heutige Situation ein und schildert die Angst der Juden um ihr Überleben als Volk. Eine Hauptbedrohung für das Überleben des jüdischen Volkes werde nach wie vor in der Bekehrung zum Christentum gesehen. Deshalb müsse Evangelisation unter Juden die besondere Situation des jüdischen Volkes berücksichtigen. Christen, die so handeln und jüdische und israelische Anliegen unterstützen, würden jedoch häufig kritisiert wegen ihrer Ablehnung direkter Evangelisation. Diese Kritiker, so Benhayim, sollten sich jedoch fragen, was angesichts der fortwährenden Bedrohung jüdischen Lebens denn zusätzlich zur Verkündigung des vollkommenen Sieges Christi getan werden kann, um es zu bewahren. Hätten die christlichen Judenmissionen während des Holocausts nicht mehr tun können, so fragt sich Benhayim, um jüdisches Leben zu retten? Er faßt zusammen: Eine Kirche, die dies versteht [...], nimmt Anteil am jüdischen Kampf zu überleben und zu wachsen. Eine ausgewogene Evangelisation unter Juden präsentiert ein Evangelium, welches relevant und dynamisch ist für das jüdische Volk als Volk und als Einzelne. [Eine solche Evangelisation] wird notwendigerweise das Wachstum gemeinschaftlichen jüdischen Lebens fördern. [...] Dies wird [...] geboren sein aus der Überzeugung, daß eine judenchristliche oder messianisch-jüdische Präsenz mitten im jüdischen Volk eine äußerste Notwendigkeit darstellt, auch wenn diese Präsenz gegenwärtig meistens außerhalb des Lagers' bestehen muß. [...] Unsere Evangelisation ist deshalb eine Evangelisation, die für das jüdische Überleben(32) eintritt."(33)
Dieser Vorschlag Benhayims, den Juden nicht allein die geistliche Errettung
durch den Glauben zu predigen, sondern auch für ihre physische
Erhaltung und Errettung zu sorgen, ist m.E. nicht zuletzt angesichts des
nie abreißenden Antisemitismus eine legitime Forderung. In Dankbarkeit
für die geistlichen Segnungen, die wir als Heiden von Israel bekommen
haben und im Gehorsam Gott gegenüber, der sein Volk erhalten will
auf den Tag hin, wo ganz Israel errettet wird" (Röm 11,26), sollte
es Pflicht der Christen sein, zum Volk Israel zu stehen und es zu schützen.
Dies heißt nicht, daß wir zu allem ja sagen, was die Juden,
der Staat Israel oder die messianischen Juden tun. Sondern es bedeutet
die grundsätzliche Entscheidung, Israel die Treue und Unterstützung
zu bewahren in guten und schwierigen Zeiten, wie auch Gott dem Volk Israel
seine Treue und seinen Bund bewahrt (Jer 31,35-37; Röm 11,29). So
formuliert es auch Otto Betz: Für uns Christen darf die Bindung an
Israel nicht vom politischen Tagesgeschehen, von der Weltmeinung über
die Juden abhängig sein; sie muß wie bei Paulus theologisch
begründet sein."(34)
2) Die Berücksichtigung der Decke vor ihrem Herzen" (2Kor 3,14-16)
Eine weitere Konsequenz aus der Berücksichtigung der Heilsgeschichte für das christliche Zeugnis für Israel ist die Berücksichtigung der gegenwärtigen Verstockung des Großteils des jüdischen Volkes (2.Kor 3,14-16; Röm 11,7-11.25). Wir haben oben gesehen,(35) daß Luther sich zunächst positiv über die Juden geäußert und gehofft hatte, daß durch seine Reformen das jüdische Volk offener werde für das Evangelium. Als er diese Öffnung jedoch nicht sah, wandte er sich enttäuscht und vehement gegen die Juden.(36) Dieser Fehler des Reformators, der seine Haltung zu Israel davon abhängig machte, ob er Ergebnisse aus seinen Bemühungen am Evangelium sah oder nicht, sollte uns heute nicht mehr unterlaufen. Das christliche Zeugnis für Israel sollte deshalb den Juden ihren eigenen Messias - ohne Druck und Zwang - verkündigen: Im Zeugnisablegen, das das Ergebnis Gott überläßt.
Der Überrest Israels jedoch ist nicht verstockt, sondern
schon heute zum Neuen Bund berufen. Dieser Überrest wird erreicht
durch die Verkündigung des Evangeliums. In dieser Weise schreibt O.
Betz über die Judenmission des Petrus und des Paulus: Diese hätte
das Ziel gehabt, einige Juden jetzt schon zu Christus zu führen, um
so die Zahl der von Gott für den Glauben Erwählten aufzufüllen,
um diese Erwählten zu entdecken und zu Gottes Ölbaum zurückzubringen".(37)
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der exegetischen Einsicht, daß die ersten Judenchristen auch nach Pfingsten Teil des jüdischen Volkes blieben, daß es in der Urkirche judenchristliche und juden- und heidenchristlich gemischte Gemeinden gab und daß das Apostelkonzil (Apg 15) einen Kontakt zwischen Juden- und Heidenchristen ermöglichte, dabei aber ihre jeweilige Einzigartigkeit bewahrte?(38)
In Bezug auf die Bewahrung des jüdischen Erbes durch die messianischen Juden ist es wichtig, daß die übrige Kirche die Juden, die zum Glauben an Christus kommen, nicht ihrem Volk entfremdet, sondern ihnen das Recht gewährt, ihr jüdisches Erbe weiterhin zu pflegen, eigene Gemeinden mit jüdischem Charakter zu gründen und so ein Zeugnis inmitten des jüdischen Volkes darzustellen. In diesem Sinne formuliert auch die Willowbank-Erklärung: Die Ausübung der bleibenden jüdischen Identität [...] stimmte mit der Heiligen Schrift überein. [...] Juden, die zum Glauben an den Messias kommen, haben die Freiheit vor Gott, diejenigen traditionellen jüdischen Bräuche und Zeremonien zu beobachten oder nicht zu beobachten, die in Übereinstimmung mit der Schrift sind und die die Gemeinschaft mit dem Rest des Leibes Christi nicht behindern."(39)
Diese Pflege des jüdischen Erbes fördert die Verkündigung des Evangeliums unter den Juden, weil sie das Vorurteil, daß das Christentum eine heidnische" Religion sei, entkräftet. Den messianischen Juden sollte jedoch auch die Freiheit eingeräumt werden, sich einer (heidenchristlichen) Konfession anzuschließen und dort ihr jüdisches Erbe zu pflegen oder dies auch nicht zu tun.(40) Zur Freiheit hat Christus uns befreit" (Gal 5,1)!
In Bezug auf das Zusammenleben der jüdischen und nichtjüdischen Christen innerhalb der christlichen Kirche ist es wichtig, daß der jüdische Teil der Kirche nie die Koinonia (Gemeinschaft) aufgibt mit der übrigen Kirche - denn das hieße, die Mauer der Feindschaft wieder aufzurichten (Eph 2,14f.). Die übrige Kirche hingegen ist dazu herausgefordert, wieder ihre jüdischen Glieder zu akzeptieren - als Juden, und nicht als ehemalige Juden. In diesem Sinne formuliert auch P. Brunner: Der Phänotyp der Kirche ist seit der Zerstörung Jerusalems heidenchristlich. Diese Gestalt der Kirche ist nicht ihre Endgestalt. Sie ist zuerst und grundlegend Kirche aus den Juden und dann erst auch Kirche aus den Heiden. Diese Rangordnung ist infolge der Verstockung Israels fast unkenntlich geworden. Zur Brautgestalt der Kirche gehört aber, daß sie Juden und Heiden [...] zusammenfaßt."(41)
Beide brauchen einander: Wir nichtjüdischen Christen brauchen die jüdischen Christen, um immer wieder an unsere jüdische Wurzel erinnert zu werden. Umgekehrt brauchen die jüdischen Christen den Kontakt zur übrigen Kirche, um die weltweite Situation nicht zu vergessen und nicht zu einer separatistischen Sekte zu werden. Sie brauchen den Kontakt mit den Heidenchristen, um nicht in der jüdischen Identität auf Kosten der Identität im Leib Jesu aufzugehen. Das Evangelium wird ein Ärgernis" (1Kor 1,23) bleiben für die Juden bis zu jenem Tag, wo ganz Israel gerettet werden wird. In dieser Hinsicht werden die messianischen Juden von ihrem Volk geschieden bleiben, sosehr sie sich auch wünschen, im jüdischen Volke integriert zu sein.
Eine offene Haltung gegenüber den Heidenchristen zeigte der Leiter einer messianischen Gemeinde bei Tel-Aviv, Baruch Maoz, als er auf dem 21. Jahresfest des Evangeliumsdienstes für Israel dem Publikum zurief: Wir brauchen Eure Korrektur, wir brauchen Eure Kritik!"(42) Christus hat aus uns zweien einen neuen Menschen geschaffen (Eph 2,15) - warum soll dieser eine Mensch wieder gespalten werden?
So möchte man den messianischen Juden zurufen: Auch Paulus wurde
wie ihr den Juden ein Jude (vgl. 1Kor 9,20). Er tat es jedoch nicht
auf Kosten des Evangeliums von der Rechtfertigung, denn wie alles tat er
auch dies um des Evangeliums willen" (1Kor 9,23). Und den nichtjüdischen
Christen möchte man zurufen: Vergeßt nicht die Mahnung des Paulus,
sich nicht über Israel zu erheben, denn nicht du trägst die Wurzel,
sondern die Wurzel trägt dich" (Röm 11,18)! Dies sollte aber
wiederum nicht auf Kosten des Evangeliums geschehen, denn es ist
eine Kraft Gottes zu erretten die Juden zuerst und ebenso" die Heiden (Röm
1,16).
Unsere Untersuchung der neutestamentlichen Botschaft hat ergeben, daß das Evangelium eine Kraft Gottes zur Errettung für Heiden und für Juden ist (vgl. Röm 1,16), und daß Gott dem Überrest Israels schon in dieser Zeit sein Evangelium offenbart.(43) Diese Tatsachen legitimieren die Existenz des christlichen Zeugnisses für Israel. Die in der Geschichte durch die Kirche gemachten Fehler heben die Wahrheit nicht auf, sie drängen uns aber, die Art und Weise des christlichen Zeugnisses für Israel von Grund auf neu zu überdenken und anhand des Neuen Testamentes zu prüfen. Sieben Punkte sollen hier genannt werden:
1. Das christliche Zeugnis für Israel sollte immer von einer Haltung der Buße bestimmt sein, weil es um die Schuld der Kirche gegenüber den Juden weiß und diese bekennt. Damit ist nicht nur die Schuld der Christenheit im Dritten Reich gemeint, sondern die aller Zeiten, in denen die Kirche eine falsche theologische Einschätzung Israels, nämlich als von der Kirche enterbtes Volk, besaß.
2. Das christliche Zeugnis für Israel sollte bestrebt sein, die Fehler der Kirche in der Vergangenheit wiedergutzumachen. Deshalb sollte als eine seiner Hauptaufgaben die Bekämpfung des Antisemitismus und die Verkündigung innerhalb der Kirche über den Heilsratschluß Gottes mit Israel sein, um Verständnis und biblisch begründete Liebe für das jüdische Volk innerhalb der Christenheit zu wecken. In diesem Sinne ist christliches Zeugnis für Israel [...] in Deutschland nach wie vor zuerst Volksmission'".(44) Es sollte außerdem bestrebt sein, in der Kirche die Voraussetzungen zu schaffen, daß das messianische Judentum akzeptiert und geschätzt wird als theologisch vertretbare Strömung innerhalb der Kirche.(45)
3. Judenmission ist deutlich zu unterscheiden von Heidenmission, weil die Kirche Israel nicht an ihrem (heidenchristlichen) Erbe teilhaben läßt, sondern Israel an sein eigenes Erbe erinnert - denn die Kirche ist Miterbin und Mitbürgerschaft Israels (Eph 2,19). Demgemäß sollte das christliche Zeugnis für Israel den jüdisch-christlichen Dialog fördern, wo er nicht unter Preisgabe der alleinigen Rechtfertigung in Christus für Juden und Heiden durchgeführt wird.
4. Das christliche Zeugnis für Israel sollte seine wichtigste Aufgabe darin sehen, die messianischen Juden zu unterstützen, weil diese viel geeigneter sind, das Evangelium Israel zu verkündigen und nach dem Neuen Testament diesen Auftrag innehatten.
5. Darüber hinaus versucht das christliche Zeugnis für Israel, den Überrest Israels zu erreichen und durch die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus die ausgebrochenen Zweige wieder in den Stamm einzupfropfen. Es berücksichtigt, daß der Großteil Israels nach wie vor von Gott verstockt ist und sieht ab von jedem Bekehrungseifer. In Demut, Liebe und Hingabe dient es dort, wo Gott eine Tür öffnet, mit dem Evangelium.
6. Das christliche Zeugnis für Israel führt die ausgebrochenen Äste an ihren eigenen Stamm zurück. Dies bedeutet, daß sie den zum Glauben an Christus gekommenen Juden die Freiheit gewährt, sich einer herkömmlichen Konfession oder einer messianisch-jüdischen Gemeinde anzuschließen und dort ihr jüdisches Erbe, wo es sich mit dem neutestamentlichen Zeugnis verträgt, weiter zu pflegen.
7. Das christliche Zeugnis für Israel sollte das Volk Israel gegen Angriffe von außen unterstützen, einerseits aus Dankbarkeit für die Segnungen, die wir durch Israel erhalten haben, andererseits aus der heilsgeschichtlichen Tatsache heraus, daß Gott Sein Volk bewahren will, um Seine Ziele mit ihm zu vollenden. Das Wortzeugnis sollte immer vom Tatzeugnis begleitet sein: Die Kirche sollte Israel tatkräftig unterstützen als das mit dem Schicksal der Kirche unauflöslich verbundene andere" Volk Gottes. Die Fürbitte für Israel sollte außerdem einen breiten Raum einnehmen im Dienst der Kirche an Israel: Die Fürbitte für die Errettung Israels (Röm 10,1) und für seine physische Bewahrung und Wiederherstellung, wie es auch das Psalmwort sagt: Betet für den Frieden Jerusalems".(46)
Paulus, der nicht nur einen Blick für die Weltmission, sondern genauso ein Verlangen für die Errettung seines Volkes hatte, schließt seine Überlegungen über das Volk, dem er entstammt, seine Stammverwandten nach dem Fleisch", mit einem langen Lobpreis Gottes - dem längsten, den wir bei Paulus finden (Röm 11,33-36): O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?" Oder wer hat ihm etwas zuvor gegeben, daß Gott es ihm vergelten müßte?" Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.
Paulus sah auf den Tag, an dem ganz Israel dem wiederkehrenden Herrn und Heiland zurufen wird: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!" (Mt 23,39), wo sie den anschauen werden, den sie durchbohrt haben (Sach 12,10; Offb 1,7) und ganz Israel gerettet werden" wird (Röm 11,26).
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3. Zeitschriften
Wo nur eine Nummer einer Zeitschrift verwendet wurde, ist ebendiese Nummer angegeben.
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Jewish Missionary Intelligence, The London Society for Promoting Christianity amongst the Jews, London.
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Theologische Beiträge (ThBeitr), Wuppertal: 9 (1978).
Zeitschrift für Theologie und Kirche (ZThK), Tübingen.
4. Audio-Kassetten
BEN ISRAEL, Arie: Wie soll sich ein gläubiger Christ gegenüber Israel verhalten? Audio-Kassette Nr. 261A, Zierenberg: Zion-Verlag, 1989.
ELGVIN, Torleif; Die Verantwortung der Christen aus den Völkern gegenüber Isarel und den messianischen Juden. Vortrag, gehalten am 21. Jahresfest des Evangeliumsdienstes für Israel (6.9.1992). Evangeliumsdienst für Israel, Leinfelden 1992, Audiokassette.
MAOZ, Baruch: Die Verantwortung der messianischen Juden gegenüber ihrem Volk und der weltweiten Gemeinde Jesu. Vortrag, gehalten am 21. Jahresfest des Evangeliumsdienstes für Israel (6.9.1992). Evangeliumsdienst für Israel, Leinfelden 1992, Audiokassette.
5. Video-Kassetten
DAMKANI, Jakob: Trumpet of Salvation to Israel. Video-Kassette VHS. Jaffa, o.J.: Jakob Damkani, P.O. Box 8355, Jaffa 61082, Israel.
Christusglaube unter Juden in Israel. Ein Filmbericht über Glaubensgrundsätze und das Gemeindeleben messianischer Juden. Moderation: Eckhard Maier. Video-Kassette VHS. Ettlingen, o.J.: EHG-Versand, Postfach 0336, 7505 Ettlingen.
-27
1Mo 12,1-3 24.25
1Mo 17,f. 24
2Mo 19,6 25
Ps 122,6 13
Jer 31,31-34 26
Jer 31,35-37 25
Hes 28,25f 26
Hes 36,26ff. 26
Sach 8,23 25
Mt 23,37-39 27
Lk 21,24 22
Apg 2,46 3
Apg 15,11 5
Apg 17,26 26
Apg 21,20 4
Apg 24,5 4
Röm 11,1 25
Röm 11,17-24 21
Röm 11,28 24.25
Röm 11,29 24
Gal 3,27f. 24
Eph 2,14-16 IV
Offb 20 12
Seit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 ist unter evangelischen Christen das Interesse an dem Schicksal des jüdischen Volkes und an den sich an ihm erfüllenden biblischen Verheißungen ständig gewachsen. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Frage, ob es hier schon Anzeichen für die erhoffte geistliche Neugeburt von Gottes altem Bundesvolk durch seine Hinkehr zu dem einst verkannten und seither abgewiesenen Messias Jesus von Nazareth gebe. Dabei spielen natürlich die sich im Lande der Väter und auch in der Diaspora sammelnden messianischen Gemeinden eine zentrale Rolle. Aber über recht allgemeine Vorstellungen über deren Leben und Denken hinaus gibt es bisher kaum ein zuverlässiges Wissen. Diese Lücke hat damit zu tun, daß sich der (mehrdeutige) Begriff Messianische Juden" erst in den 70er Jahren dieses Jahrhunderts eingebürgert hat als Folge des Durchbruchs eines gewandelten theologischen Selbstverständnisses bei einem Teil der zeitgenössischen Judenchristenheit. Auch bieten diese Gemeinden und ihre im Ausland auftretenden geistlichen Repräsentanten ein so uneinheitliches Bild, daß es schwerfällt, über ihre Theologie und ihr Wollen zu allgemein zutreffenden Aussagen zu gelangen.
Deswegen ist es sehr zu begrüßen, daß der Verfasser der vorliegenden Studie, Andreas Hornung, es sich in seiner Tübinger Magisterarbeit vorgenommen hat, etwas mehr Licht in dieses Halbdunkel fallen zu lassen. Er hat damit auch missionswissenschaftlich ein Neuland betreten, zu dem es bisher außer dem von zwei skandinavischen Judaisten, Kai Kjaer-Hansen und Ole Kvarme, verfaßten Buch Messianische Juden" (1979) kaum Veröffentlichungen gab.
Angeregt zu seiner Untersuchung wurde er zunächst durch persönliche Begegnungen mit einzelnen vortragsreisenden Vertretern des messianischen Judentums, dann noch mehr durch einen längeren Studienaufenthalt in Israel. Er ging dabei mutig an eine Aufgabe heran, die insofern schwierig zu lösen war, als auch von seiten der messianischen Juden selbst nur wenige theologische Selbstdarstellungen vorliegen, die dazu noch unter sich widersprüchlich sind.
Der Verfasser war gut beraten, sich bei seiner Arbeit wesentlich zu konzentrieren auf das messianische Manifest" des in Israel theologisch wirkenden messianischen Juden David Stern (1988) sowie auf die biblische Begründung in dem Buch des führenden amerikanischen Judenchristen Daniel Juster: Jewish Roots" (1986). Ergänzend zu diesen Veröffentlichungen zog er noch eine Reihe aktueller Zeugnisse heran, welche seiner Untersuchung eine willkommene Lebendigkeit vermitteln.
Die theologische Leistung von Andreas Hornung selber sehe ich in seiner exegetischen Analyse und Interpretation der behandelten Dokumente, wobei er eine lobenswerte Besonnenheit im Vermeiden von hier häufig auftretenden Extrempositionen an den Tag legt. Er erkennt sowohl die traditionell in der kirchlichen Lehre vorherrschende Enterbungstheorie" als auch die moderne These von zwei unterschiedlichen, für Israel wie für die Heidenchristen geltenden Bünden (Two Covenant Theory") als Irrtümer. Stattdessen bemüht er sich um eine positive Füllung der von Daniel Juster selber gegebenen Definition: Der messianische Jude sieht sich selbst als Teil des universalen Volkes Gottes, genauso jedoch als jemand, der noch eine [besondere] Rolle spielt in Gottes Absichten durch die Nation Israel."
Eindrucksvoll gelungen erscheint mir auch die weltgeschichtliche Verknüpfung von Hornungs exegetischer Besinnung mit der Reflexion auf das leidvolle Geschick der Judenheit zu sein, wie auch der Aufweis der ideengeschichtlichen Wechselbeziehung des erwachsenden heilsgeschichtlichen Sendungsverständnisses der Judenchristen und bestimmten theologischen Entwicklungen in der abendländischen Christenheit.
Die Magisterarbeit von Andreas Hornung eignet sich gut als Einführung in die Thematik des messianischen Judentums" und regt zugleich zu weiterführenden Studien auf der Grundlage der noch zu erschließenden neuhebräischen Quellen an. Ich begrüße deswegen die Veröffentlichung von Herzen.
Tübingen, im Dezember 1994 Prof. Dr. Peter Beyerhaus
1. 1 D. STERN, Messianic Jewish Manifesto, S. 239.
2. 2 Diese Bezeichnung verdanke ich A. Burchartz. Vgl. A. BURCHARTZ, Christ- liches Zeugnis für Israel heute, in: A. BURCHARTZ - B. MAOZ, Israel - unsere Liebe", S. 10-14.
3. 3 Mit Ausnahme der Elemente, die dem Evangelium entgegengesetzt sind.
4. 4 Am bekanntesten ist der Synodalbeschluß zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden, formuliert von der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland im Januar 1980 (abgedruckt u.a. in: H. KREMERS - E. LUBAHN (Hrsg.), Mission an Israel in heilsgeschichtlicher Sicht, S. 123f.). Der Synodalbeschluß betont die fortdauernde Berufung Israels und das gemeinsame Zeugnis von Christen und Juden vor der Welt. Deshalb könne die Kirche ihr Zeugnis dem jüdischen Volk gegenüber nicht wie ihre Mission an die Völkerwelt wahrnehmen" (ebd., S. 124). Die These VI aus den Thesen zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden (ebd., S. 125f.) stellt den gemeinsamen Zeugendienst von Juden und Christen an der Welt dar. Von einem Zeugnis der Kirche gegenüber Israel spricht die These nur in dem Sinne des indirekten Zeugnisses, nämlich daß die Existenz der Kirche in ihrer Sendung zu den Völkern [...] Zeichen für Israel" (ebd., S. 126) sei. Ein Wortzeugnis Israel gegenüber wird ausdrücklich nicht erwähnt.
5. 5 The Thailand Report on Jewish People. Report of the Consultation on World Evangelization. Mini-Consultation on Reaching Jewish People. Held in Pattaya, Thailand from 16-27 June 1980. Lausanne Committee for World Evangelization, Wheaton (Illinois) 1980. Verfaßt ist diese Erklärung von einer Gruppe aus Juden- und Heidenchristen, Pastoren und Laien, im Jahre 1980 in Thailand. Im folgenden abgekürzt mit The Thailand Report.
6. 6 The Willowbank Declaration on the Christian Gospel and the Jewish People. With an Introduction by Tormod Engelsviken, in: Mishkan 11 (1989), S. 71-84. Diese Erklärung wurde im April 1989 von einer Gruppe von Christen, die sich in Willowbank, Bermuda, trafen, verfaßt. Im folgenden abgekürzt mit The Willowbank Declaration.
7. 7 Diese Erklärung wurde im Februar 1980 von der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands" verfaßt. Abgedruckt ist sie u.a. in: H. KREMERS - E. LUBAHN (Hrsg.), Mission an Israel in heilsgeschichtlicher Sicht", S. 126-128. Im folgenden abgekürzt mit Mission unter Israel - auch heute.
8. 8 So war es auch bei Paulus vor Damaskus. Für ein heutiges Beispiel vgl. das Zeugnis von Benjamin Berger oben in Kap. 2.
9. 9 Das Israel-Jahrbuch 1993 (herausgegeben von dem Nachrichtendienst Nachrichten aus Israel" unter der Leitung des messianischen Juden Ludwig Schneider) gibt an, daß eine Umfrage unter den messianischen Juden im Jahre 1986 ergab, daß 75% der messianischen Juden allein durch das Bibelstudium zum Glauben an Jesus kamen, also nicht durch Mission" (S. 173).
10. 10 Mission unter Israel - auch heute, S. 126.
11. 11 The Willowbank Declaration, S. 78f.
12. 12 The Thailand Report, S. 5.
13. 13 Vgl. Mission unter Israel - auch heute, S. 128; The Willowbank Declaration, S. 82f. und The Thailand Report, S. 5 und S. 21.
14. 14 Mission unter Israel - auch heute, S. 128.
15. 15 Vgl. Mission unter Israel - auch heute, S. 128; The Willowbank Declaration, S. 82 und The Thailand Report, S. 5.
16. 16 Vgl. The Willowbank Decleration, S. 82.
17. 17 E. SCHLINK, Ökumenische Dogmatik, S. 565.
18. 18 In diesem Sinne beschreibt sich auch der Evangeliumsdienst für Israel, der zusammen mit dem Ev.-luth. Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen den unter den Juden mit dem Evangelium dienende Arbeitszweig der EKD bildet: Der EDI [Evangeliumsdienst für Israel] fördert [...] das Zeugnis des christlichen Glaubens unter Juden [...]. Das bedeutet zuerst, daß wir jüdischen Christen und judenchristlichen Gemeinden nach Kräften beistehen, das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat weiterzugeben und als Zeugen Jesu in ihrem Volk zu leben" (Faltblatt Evangeliumsdienst für Israel - SW, Evangeliumsdienst für Israel, Leinfelden, o.J. Herv. A. H.).
19. 19 H. D. LEUNER, Neubesinnung zwischen Mission und Gespräch, in: Lutherische Rundschau, Stuttgart 1963, Heft 4, S. 483 und 485. Zit. in: Rudolf PFISTERER, Von A bis Z, S. 303 (Herv. H. D. L.).
20. 20 Interview mit Shlomo Hizak, abgedruckt in: Christen für Israel, 20 (1982/83), S. 4 (Herv. Christen für Israel).
21. 21 A. BEN ISRAEL: Wie soll sich ein gläubiger Christ gegenüber Israel verhalten? Audio-Kassette Nr. 261A, Zierenberg: Zion-Verlag, 1989.
22. 22 Dov Chaikin in einem Interview mit dem Verfasser im Sommer 1991 in Israel.
23. 23 Ludwig Schneider in einem Interview mit dem Verfasser im Sommer 1991 in Israel.
24. 24 Vgl. K. KJAER-HANSEN - O. KVARME, Messianischen Juden, S. 161.
25. 25 Vgl. O. BETZ, Israels Mission an der Welt - unsere Mission an Israel, in: Heinz KREMERS - Erich LUBAHN (Hrsg.), Mission an Israel in heilsgeschichtlicher Sicht", S. 61.
26. 26 A. BURCHARTZ, Christliches Zeugnis für Israel, in: A. BURCHARTZ - B. MAOZ, Israel - unsere Liebe", S. 14.
27. 27 S. Anm. 92 im 2. Kapitel.
28. 28 Vgl. K. KJAER-HANSEN - O. KVARME, Messianische Juden, S. 154 und J. VERKUYL, Contemporary Missiology, S. 141.
29. 29 Vgl. z. B. die kontroverse Diskussion über die christliche Botschaft" in Jerusalem in Mishkan 12 (1991), S. 1-36.
30. 30 Mission unter Israel - auch heute, S. 127.
31. 31 Vgl. M. BENHAYIM, Jewish Survival, Lausanne Consultation on Jewish Evangelism", third international consultation 19.-27. August 1986 in Easneye, England, S. 6f.
32. 32 Engl. Jewish survival evangelism.
33. 33 M. BENHAYIM, ebd., S. 6f. (Herv. M. B).
34. 34 O. BETZ, Israels Mission an der Welt - unsere Mission an Israel, in: H. KREMERS - E. LUBAHN (Hrsg.): Mission an Israel in heilsgeschichtlicher Sicht", S. 63.
36. 36 Vgl. seine Schrift Von den Juden und ihren Lügen, WA 53,417ff.
37. 37 O. BETZ, Israels Mission an der Welt - unsere Mission an Israel, in: H. KREMERS - E. LUBAHN (Hrsg.), Mission an Israel in heilsgeschichtlicher Sicht", S. 61.
38. 38 Vgl. J. VERKUYL, The Communication of the Gospel to the Church and the Jewish People, in: Ders., Contemporary Missiology", S. 137.
39. 39 The Willowbank Declaration, S. 80. Vgl. auch die Aussage des Thailand- Reports (S. 11): Wir rufen die Kirche auf, sich dahingehend zu äußern, daß ein Jude, der Christus aufnimmt, nicht nur ein Jude bleibt, sondern auch die Bestimmung des jüdischen Volkes erfüllt, nämlich dem Gott Israels zu dienen. [...] jüdische Christen sollten ermutigt werden, denjenigen jüdischen Anliegen gegenüber treu zu sein, die sie als ehrbar anerkennen, z.B. zionistische Anliegen, die Sorge für das sowjetische Judentum, Anteilnahme an jüdischer Wohltätigkeit und die Unterstützung derselben" und die Aussage der Erklärung Mission an Israel - auch heute (S. 127): Der Ruf zu [...] Jesus dem Messias fordert Juden keinesfalls dazu auf, ihre [...] Zugehörigkeit zum Volke Israel preiszugeben. Vielmehr lädt er sie dazu ein, erneut in seine heilsgeschichtliche Berufung einzutreten, Gottes Segen an alle Völker zu vermitteln (2.Mose 19,4-6; 1Petr 2,9; Römer 11,11-15)."
40. 40 Gegen E. LUBAHN, Judenmission in heilsgeschichtlicher Sicht, in: Heinz KREMERS - Erich LUBAHN (Hrsg.), Mission an Israel in heilsgeschichtlicher Sicht", S. 100: Sie [die messianischen Juden] sollten sich nicht in eine heidenchristliche Kirche integrieren" (Herv. E. L).
41. 41 P. BRUNNER, Pro Ecclesia Bd. 1, S. 218.
42. 42 Quelle: B. MAOZ: Die Verantwortung der messianischen Juden gegenüber ihrem Volk und der weltweiten Gemeinde Jesu, Vortrag gehalten am 21. Jahresfest des Evangeliumsdienstes für Israel, 6.9.1992. Audiokassette (s. Literaturverz.).
43. 43 Gott wird ganz Israel das Evangelium bei Christi Wiederkunft offenbaren (vgl. Röm 11,26f.).
44. 44 A. BURCHARTZ, Christliches Zeugnis für Israel heute In: A. BURCHARTZ - B. MAOZ, Israel - unsere Liebe", S. 13.
45. 45 Vgl. W. RIGGANS, Messianic Judaism: A Case of Identity Denied, in: International Bulletin of Missionary Research, 16/3 (1992), S. 132: Es ist sicherlich Zeit, daß die messianisch-jüdische Bewegung anerkannt wird sowohl von der jüdischen als auch von der christlichen Gemeinschaft als eine Bewegung, die durch Überzeugung motiviert ist, die in Redlichkeit lebt und die sowohl sozial als auch theologisch lebensfähig ist."
46. 46 Ps 122,6 (Übersetzung vom Verf.). Vgl. Jes 62,6f.