Pressespiegel Pressespiegel

Meldungen aus deutschen säkularen Medien

Hintergrundinfos aus israelischen und christlichen Quellen

 

Kommentar der Stgt. Nachrichten vom 08.06.2002 vom Chefredakteuer Offenbach verfasst

Die Aufreger

VON JÜRGEN OFFENBACH

Sturm im Wasserglas? Es war schon mehr. Dazu ist die Erregung über
Antisemitismus-Vorwürfe in Deutschland - gegen Möllemann, die FDP, den
Schriftsteller Martin Walser - zu brandgefährlich. Das Wichtigste,
Verdienstvollste war am Ende, den Schwelbrand mit einem Schlag auszutreten,
bevor es richtig zu brennen anfing. Das ist durch Karslis Austritt aus der
FPD-Fraktion in Düsseldorf geschehen, vor allem aber durch Möllemanns
Entschuldigung bei jüdischen Mitbürgern.

Der paradoxeste, auch perfide Vorwurf der letzten Zeit - vergröbert: die FDP
sei eine antisemitische Partei - ist vom Tisch. Aber mit welcher Rasanz in
Deutschland kollektive Empörung und Aufwallung möglich sind, wie schnell ein
Pseudo-Thema hochgeschäumt werden kann, muss nicht zum ersten Mal
nachdenklich machen. Die Öffentlichkeit lässt sich im Nu zum Resonanzboden
umfunktionieren. Diese Entrüstungsbereitschaft machen sich jene zu Nutze,
denen es allzeit in den Fingern kribbelt, auf der Klaviatur der Massenmedien
zu spielen. Dazu gehören Selbstdarsteller wie der FDP-Politiker Jürgen
Möllemann, den ein anderer politischer Selbstdarsteller von hohen Graden,
nämlich Franz Josef Strauß, einmal als den "Riesenstaatsmann Mümmelmann"
verspottete. In der Tat ist Möllemann alles andere als ein Exponent
politischer Seriosität. Er ist Querkopf statt Querdenker. Ein Strauß im
Taschenformat: Politiker-Typus für die Klientel des "Big
Brother"-Containers, längst bevor dieser erfunden war.

Ihm steht ein anderer Monomane gegenüber, ebenso gescheit wie
selbstgefällig, dem die gleiche Schlagzeilengier eigen ist wie Möllemann:
Michel Friedman. Bei beiden stand ihre öffentliche Selbstinszenierung so
lange im Vordergrund, bis sie nach zwei Wochen merkten, dass durch das
gegenseitige Hochheizen des Antisemitismus-Vorwurfs auch jeder seine eigenen
Füße im Feuer hatte. Und da die Stunde der Monomanen gekommen war, eilte
schnell noch der Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen", Frank
Schirrmacher, hinzu. Im Walser-Manuskript "Tod eines Kritikers", welches der
"FAZ" nicht erst seit vorgestern vorlag, entdeckt er jäh ein antisemitisches
"Dokument des Hasses", dessen Vorabdruck er mit großem Getöse verweigert. Da
verliert Schriftsteller Walser seinerseits die Fassung und nennt
Schirrmachers Selbstinszenierung ebenfalls antisemitisch.

Der Monomane Möllemann trug seine neueste Publicity-Pirouette auf dem Rücken
seines Parteivorsitzenden Westerwelle und der FDP aus. Der Monomane
Friedman, dessen Gipfel an Anmaßung darin bestand, bei Sabine Christiansen
sogar Bundespräsident Rau aufzufordern, für ihn als Schiedsrichter in die
Arena zu steigen, instrumentalisiert den Zentralrat der Juden für seine
Männer-Feindschaft mit Möllemann. Und Schirrmacher hat die seriöse "FAZ" für
seine Aversion gegen Walser ein paar kurzlebige Tage in Beschlag genommen.
Gut, dass inzwischen alle Aufreger und Aufgeregten wenigstens ihr
Antisemitismus-Gerede eingestellt haben.

Mit derlei politischen und intellektuellen Pharisäertum geht ein gerüttelt
Maß an Widersinn und Widerwärtigkeit einher: Gerade die Thematik (oder auch:
das Tabu), welche unbestritten hohe Sensibilität und Verantwortung
erfordert - die Abwehr von Antisemitismus und Rassismus -, wurde als
wohlfeiles Totschlags-Argument missbraucht. Zum Glück haben etliche Zeugen
der Anklage klaren Kopf bewahrt: der Suhrkamp-Verlag, der Walsers Polemik
gegen Reich-Ranicki nun doch publiziert und dem Leserpublikum ein eigenes
Urteil ermöglicht; der "Groß-Kritiker" selbst mit seiner maßvollen Reaktion;
und Günter Grass mit seiner Feststellung, es gebe in Walsers bisherigem Werk
"keine einzige Zeile, die auch nur einen Hauch von Antisemitismus hat". Die
größte Genugtuung aber liegt darin, dass die perfideste aller "Strategien"
gleichfalls durchkreuzt ist: Nämlich das Thema "Antisemitismus in
Deutschland" zum Wahlkampfthema hochzukochen und einen Schaumteppich über
die wirklichen Gefahren zu legen, denen Deutschlands Zukunft ausgesetzt ist.

Aktualisiert: 08.06.2002, 06:36 Uhr


CFRI-Kommentar:

Der Artikel ist insofern bedenklich, dass
er die antisemitischen Tendenzen im Grunde verharmlost und als eigentlich
nicht existent hinstellt. Außerdem will er die populistische Nutzung des
Antisemitismus als Privatangelegenheit Möllemanns abtun. Auf versteckte
Weise bestätigt er sogar Möllemanns These, dass Friedmann den Antisemitismus
aufgrund seines egomanischen Pharisaäertums gefördert oder herbeigeredet
habe.