Segne Israel   HOME | Dokumente  | Inhalt
 

"Die Juden sollen dahin zurückgehen, woher sie kamen"


Für Scheich Sabri gehört Jerusalem den Moslems

Jerusalem - Die Friedensverhandlungen im Nahen Osten stehen und fallen mit der Frage der Souveränität über Jerusalem. Juden wie Moslems sehen hier ihre historischen und religiösen Wurzeln. Im Streit um die Kontrolle über die heiligen Stätten wie den Tempelberg werden die Worte immer bitterer, die Positionen verhärten sich zusehends. Der Mufti von Jerusalem, Scheich Ikrima Sabri, spricht den Juden gar jegliche historische Bindung an diese Stätten ab. Mit ihm sprach Paul Badde.

DIE WELT: Die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg hat der neuen Intifada ihren Namen gegeben. Nun hat das Oberrabbinat am 4. Januar erklärt, dass das jüdische Gesetz es verbietet, "die Souveränität am Tempelberg indirekt oder direkt an Fremde abzugeben", weil er der heiligste Platz des jüdischen Volkes sei. Vier Tage danach haben Sie den gesamten Platz in einem Fatwa noch einmal als ganz und gar moslemisch erklärt. Ein unlösbarer Widerspruch?

Scheich Sabri: Es gibt nicht das geringste Anzeichen für die frühere Existenz des jüdischen Tempels an diesem Platz. In der gesamten Stadt gibt es keinen einzigen Stein, der auf die jüdische Geschichte verweist. Unser Recht hingegen ist sehr klar. Uns gehört dieser Platz schon seit 1500 Jahren. Selbst als die Kreuzfahrer ihn eroberten, blieb er der Bereich der Al Aksa, den wir bald zurückbekamen. Die Juden aber wissen nicht einmal, wo ihr Tempel genau stand. Deshalb erkennen wir hier auch kein einziges Recht von ihnen an, weder unter der Erde noch darüber.

DIE WELT: Unter Archäologen besteht Übereinstimmung, dass die Klagemauer zum Fundament des herodianischen Tempels zählte. Die Bibel und andere antike Zeugnisse berichten in vielen Details von diesem Ort. Warum können Sie jüdische Bindungen an diesen Platz nicht respektieren?Scheich Sabri: Es ist die Kunst der Juden, die Welt zu betrügen. Uns können sie damit nicht reinlegen. Es gibt keinen einzigen Stein in der Klagemauer, der etwas mit der jüdischen Geschichte zu tun hat. Weder in religiöser noch in historischer Hinsicht haben die Juden irgendeinen berechtigten Anspruch auf diese Mauer. 1930 hat ein Komitee des Völkerbundes uns empfohlen, die Juden dort beten zu lassen, damit sie Ruhe geben, keinesfalls hat es aber anerkannt, dass sie ihnen gehört.

DIE WELT: Warum erlauben sie israelischen Wissenschaftlern nicht, hier einmal zu graben, um nach möglichen Überresten und Beweisen für oder gegen die Existenz des jüdischen Tempels zu suchen?

Scheich Sabri: Wir weisen alle Grabungen unter der Al-Aksa-Moschee kategorisch zurück, weil sie die historischen Gebäude auf dem Platz gefährden. Außerdem haben sie ja schon überall gegraben. Alles, was sie finden konnten, waren Gebäudereste aus der Omajaden-Zeit. Alles, was sie ausgegraben haben, hat mit den Arabern und den Moslems zu tun.

DIE WELT: König Hussein hat einmal eine "Souveränität Gottes" für den Tempelberg vorgeschlagen, um hier die Spannung zwischen den Nationen und Religionen zu mindern?Scheich Sabri: Wir akzeptieren Gottes Souveränität. Darum heißt die Moschee ja auch Al Aksa. Gott selbst hat sie so genannt. Gott will, dass sie den Moslems und keinem sonst gehört. Das akzeptieren wir.

DIE WELT: Würden Sie notfalls einer Internationalisierung der Stadt zustimmen, um der unlösbaren Probleme Herr zu werden?

Scheich Sabri: Ein internationales Jerusalem wäre für uns noch schlimmer als das zionistische Jerusalem. Dann hätten wir nicht nur einen Staat, sondern die ganze Welt gegen uns. Es wäre ein Rückfall in das Zeitalter des Kolonialismus.

DIE WELT: Am 23. März 2000 hat der Papst in Jerusalem gesagt: "Religion darf nie als Entschuldigung von Gewalt dienen - besonders dann nicht, wenn sich die religiöse Identität mit kultureller und nationaler Identität deckt." Was würden Sie ihm darauf antworten?

Scheich Sabri: Jeder, der religiös ist, stimmt dem zu. Auch wir glauben, dass Religion kein Grund zum Hass zwischen den Völkern sein darf. Nur diejenigen ignorieren das, die keine Religion haben. Wer ist das aber? Wer besetzt und zerstört andere Völker und ihren Besitz?

DIE WELT: Auch die Intifada ist gewalttätig. War der gewaltfreie Widerstand nicht erfolgreicher, mit dem Gandhi die englische Kolonialherrschaft in Indien beendete?

Scheich Sabri: Seit 1967 haben wir gewaltlos für den Frieden gekämpft. Aber keiner hat uns zugehört. Wir haben bei der UN Resolutionen bewirkt, aber keiner hat einen Finger für uns gekrümmt.

DIE WELT: In einem Fatwa vom letzten Juli haben Sie erklärt: "Wir beharren auf dem Recht der Rückkehr aller Flüchtlinge von 1948 und verbieten ihnen, sich für das Heilige Land entschädigen zu lassen; denn dafür gibt es keinen Preis." Welche Grenzen hat das Heilige Land, von dem Sie da sprechen?

Scheich Sabri: Es reicht vom Mittelmeer bis zum Jordan, vom Standpunkt des Islam betrachtet. Es ist das ganze Palästina.

DIE WELT: Ohne Platz für die Israelis?

Scheich Sabri: Für die Juden, die vorher hier gelebt haben, gibt es natürlich Platz. Die Juden aber, die aus der ganzen Welt hierhin gekommen sind, sollen dahin zurückgehen, woher sie kamen. Die Juden aus Deutschland sollen nach Deutschland zurückgehen. (lacht) Ihr liebt sie doch so sehr.

DIE WELT: Wollen Sie damit sagen, dass es für einen jüdischen Staat hier keinen Platz geben soll?

Scheich Sabri: Diese Frage habe ich in meinem Fatwa nicht behandelt. Ich habe nur gesagt, dass die Flüchtlinge zurückkommen müssen. Über Grenzen habe ich nicht gesprochen.

Die Welt vom 11. Februar 2001 www.welt.de


 www.segne-israel.de  E-Mail: info@segne-israel.de

HOME | Dokumente  | Inhalt

nach oben zum Seitenanfang