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RECHERCHE IN DER AUFARBEITUNG VON HISTORISCHER SCHULD AM JÜDISCHEN VOLK AUF LOKALER ODER REGIONALER EBENE


Allgemeine Bemerkungen:

Möglichkeiten der Erforschung historischer Quellen:

Der erste Schritt wäre, herauszufinden, ob überhaupt Juden an meinem Ort lebten. Hierfür sind übergreifende Bücher gut (z.B. Joachim Hahn: jüdische Zeugnisse in Baden-Württemberg; Paul Sauer: jüdische Gemeinden in Württemberg /Hohenzollern). Solche Bücher gibt es in der Landesbibliothek (z.B. in Stuttgart; unter Stichwort "Juden, jüd. Geschichte" nachsehen).
Oder: Stadtbücherei: Bücher über Lokalgeschichte. Am besten sind Bücher, deren Titel schon klar das Thema anspricht. Aber auch allgemeine Geschichtsdarstellungen des Landes oder von Orten haben oft einzelne Kapitel über die jüdische Geschichte.
Der nächste Schritt wäre der Gang zum
Stadtarchiv oder Ortsarchiv: Vorgehen: erst anrufen (Öffnungszeiten; die Angestellten sind oft sehr behilflich, heute auch oft jünger und dem Thema gegenüber aufgeschlossen), evt. Gespräch mit dem Archivar, dann in den Findmitteln unter  Stichwort "Juden" nachschauen, falls da nichts -> Stichworte Bevölkerungsentwicklung, Religion, Viehmark, Viehhandel, politische Betätigungen, Gewerbesteuerakten (jüdsche Firmen). Auch Fotos (Synagoge, jüd. Geschäfte) und Bildmaterial kann in Archiven gefunden werden. Im Stadtarchiv gibt es auch Zeitschriftensammlungen und alte Ausgaben von Lokalzeitungen. Auch nach Interviews, Briefen und Nachlässen fragen!
Die Benutzung des Archiv kostet nichts, das kopieren allerding 50 Pfennig pro Kopie.
Im Stadtarchiv kann man sich auch weitere Auskünfte einholen, wie Adressen von Juden, die früher hier lebten, und von Personen oder Gruppen, die sich mit jüdischer Geschichte am Ort befassen.
Staatsarchiv: Landkreise haben Archive, in  Baden-Württemberg gibt es vier: Ludwigsburg (für Stuttgart u. nordwärts), Sigmaringen (für Süd-BaWü), Freiburg (für Südbaden), Karlsruhe (für Nordbaden) = Oberamt. Dort gibt es vor allem die Wiedergutmachungsakten, die sehr viele Informationen hergeben.  Darin gibt es Lebensberichte von Betroffenen, Zeugenaussagen sowie Gutachten von Ärzten und Sachverständigen. Wichtig: hier handelt es sich um Aussagen der betroffenen Juden selber. Manche dieser Akten haben noch Sperrfristen (noch nicht öffentlich zugänglich), können aber mithilfe schritlichem Antrag eingesehen werden.
Archive der Kirchen ev. Kirche: Landkirchliches Archiv in Stuttgart (Außenstelle in  Tübingen). kath. Kirche: Diozösanarchiv in Rottenburg.
Jüdische Gemeinde Bsp. Israelitische Gemeinde in Stuttgart
Zeitungsarchive:   Früher hatten viel mehr Orte ihre Lokalzeitungen. Diese können entweder in (mehr zentralisierten) Nachfolgezeitungen archiviert sein, oder in Stadtarchiven (größere Zeitungen auch in den Landesbibliotheken). Problem: hier gibt es meist keine Registratur wie in den Stadtarchiven. -> Methoden, etwas zu finden: z.B. in einem Jubiläumsjahr nachschauen: Ich weiß, daß die jüdische Gemeinde am 8.12.1888 gegründet wurde -> nach 20, 25 etc.  Jahren muß es ein Jubiläum gegeben haben mit Zeitungsartikeln. Flattichregistratur (=vor 1933/45)
Alte Jahrgänge von Zeitungen können in Bibliotheken aufgefunden werden.
Internet  Beispiel www.hagalil.com   Suchmaschienen
Archive in Israel: Yad Vashem (Jerusalem), Diasporamuseum (Tel-Aviv: Einen beliebigen Ort in den Computer eingeben).

Interviews mit jüdischen und nicht-jüdischen Zeitzeugen. Wie findet man solche? Im Stadtarchiv fragen nach Adressen, Altenbegegnungsstätte, evt Aufruf in der Lokal-Zeitung.
Zusammenarbeit mit Leuten am Ort, die schon an diesem Thema arbeiten, z.B. historischen Vereinen. -> Beim Stadtarchiv fragen ob es solche Gruppen oder Einzelpersonen an meinem Ort gibt.
Bevor man Interviews führt, sollten bereits viele Informationen über das Umfeld zusammengetragen sein, um falsche Fährten zu meiden. Die Fragen sollten offen und neutral formuliert sein, Suggestivfragen sollten vermieden werden. Die Anonymität des Interviews muß zugesichert sein. Hilfreich ist es, wenn es darüber hinaus autorisiert wird. Da die Erinnerungsarbeit anstrengend für den Interviewpartner ist, sollte das Gespräch nicht länger als zwei Stunden dauern. Bei der Auswertung des Interviews ist dann der Vergleich mit anderen Quellen wichtig.

Akten sind meist präziser als Interviews, letztere dafür lebendiger und anschaulicher. Allerdings können Menschen auch falsche Auskünfte geben.

Hilfreich ist es, wenn man nicht nur pure Fakten zusammenträgt, sondern konkrete Beispiele einfliessen lässt, die die nüchternen Fakten aufhellen, die das Herz anrühren und die emotionale Seite ansprechen. Solche lebendigen Zeugnisse findet man nicht unbedingt in Darstellungen von Historikern, die oft nur Fakten und Zahlen aneinanderreihen. Hier können Arbeiten von Leuten hilfreich sein, die die lokale Geschichte erforscht haben, z.B. Lehrer oder Geschichtswerkstätten. Es gibt z.B. einen Schüler, der seine Abschlussarbeit über ein KZ verfasste und dafür Überlebende interviewte. Seine Arbeit wurde vom Land ausgezeichnet. Beides ist wichtig und damit auch paralleles Arbeiten: der Gesamtzusammenhang und plastische Einzelgeschichten.
Man muss viel Zeit investieren in eine solche Rechercharbeit.
Es braucht auch ein System, um die Fülle an Material zu sortieren. Das kann ein Karteikastensystem sein oder auch der Computer mit Dateien und Ordnern. In solche Karteikarten kann man Fakten kurz zusammenfassen, dabei die Quelle angeben. Wenn man später etwas zum ähnlichen Thema findet, kann man das dann einfach hinzufügen, und am Schluss lässt sich alles gut zusammentragen.

Beispiel: Die Geschichtswerkstatt Tübingen:
Die Geschichtswerkstatt Tübingen hat ein Buch über die Geschichte der Tübinger Juden herausgebracht. Für ihre gründliche Recherche hatten sie drei Autobiographien zur Verfügung. Sie führten Interviews mit überlebenden Tübinger Juden und reisten dafür nach Israel und die USA, wo jene heute leben. Sie interviewten auch zwölf nichtjüdische Zeitzeugen. Im Stadtarchiv Tübingen nutzten sie die Deportationsakten, die in Tübingen erstaunlicherweise erhalten sind, Gemeinderatsprotokolle und Gewerbesteuerakten. Vor allem Akten der Wiedergutmachungsverfahren im Landesamt für Wiedergutmachung gaben detaillierte Informationen.

ZUM UMGANG MIT RECHERCHIERTEN FAKTEN
1.a. Gebet (stellvertretende Buße vor Gott). Dabei kann es gut sein, vor Ort zu beten bzw. den Ort zu besuchen (wo z.B. ein KZ oder eine Synagoge stand). Die Beter können sich so die Landschaft vorstellen und besser identifizieren.
1.b. Es ist vorteilhaft, für eine Gebetsveranstaltung einen kleinen Artikel auszulegen, in dem die Geschichtsfakten kurz zusammengefasst sind. Es kann dann das Angebot gemacht werden für Menschen, die sich persönlich oder in Gebetsgruppen näher mit dem Thema befassen wollen, eine Kopie davon mitzunehmen.

2. Möglichkeiten, an die Öffentlichkeit zu treten:

Wann ist es angesagt, an die Öffentlichkeit zu gehen?

Wenn das Thema Israel sowieso in der Öffentlichkeit präsent ist.
Beispiele:

Wichtig zu beachten ist:
Sobald man an die Öffentlichkeit tritt, besonders in der Form einer schriftlichen Veröffentlichung, ist es sehr wichtig, daß die Fakten sauber recherchiert wurden (vgl. die Tumulte um die Wehrmachtsausstellung aufgrund einiger falscher Bildunterschriften Nov. 1999). Es ist generell gut, auch einen wissenschaftlichen Berater miteinzubeziehen, der sich die Ergebnisse anschaut.
 



(verfaßt im November 1999 von Andreas Hornung, überarbeitet 27.9.01)

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